Systemische Therapie

In der Behandlung von Patienten und speziell der Anwendung Systemischer Therapie gehe ich von diesen Vorannahmen aus: 

  1. Ein Problem verstehe ich als eine Aufgabe, die (vom Leben) zur Lösung vorgelegt wurde. Wenn Die Betroffenen schon gute Lösungen gefunden haben, werden sie diese Aufgabe vermutlich nicht mehr als Problem bezeichnen, sondern vielleicht als gemeisterte Herausforderung.
  2. Krankheitssymptome sind aus dieser Sicht oft Ausdruck von Aufgaben, für die, oft über lange Zeit, (noch) keine gute Lösung gefunden werden konnte. Sie können für die Betroffenen und andere Personen viel Leiden verursachen.
  3. Die Betroffenen und ihre Angehörigen sind die Experten für Ihr Leben. Sie kennen die Lösungen für die Aufgaben in ihrem Leben am Besten.  
  4. Sie haben meist schon vieles versucht und das Beste getan, was ihnen möglich war, um ihr Problem zu lösen. Oft können sie die Lösung (noch) nicht benennen, auch wenn sie schon viele Wege gesucht haben. Zumeist ist gerade das der Grund, warum sie therapeutische Hilfe suchen. Die Betroffenen und ihre Angehörigen kennen sich, und ihre Situation jedoch viel besser, als auch ein sehr guter Therapeut es - auch nach vielen Gesprächen - je könnte.  
  5. Ich begegne daher allen Beteiligten mit einer Haltung von Respekt. Bei Gesprächen mit mehreren Personen bemühe ich mich um „Allparteilichkeit“, d.h. um eine Haltung, die jedem Gesprächsteilnehmer mit dem gleichen Bemühen begegnet, seine Haltung zu verstehen. 
  6. Ich verstehe mich als Experte darin, Gespräche so zu führen, dass sie die Chancen bieten, bessere Lösungen als bisher zu finden (Experte der Form).
  7. Probleme (ent-)stehen in einem Netz sozialer Beziehungen – gute Lösungen sind leichter zu finden, wenn dieser soziale Kontext mit bedacht (und besprochen) wird.
  8. Gespräche, in denen neue Wege gesucht werden, können deswegen oft viel fruchtbarer sein, wenn andere wichtige Personen des sozialen Netzes an ihnen teilhaben. Dass andere teilnehmen, muss aber nicht zwingend der Fall sein. Andere wichtige Personen können, z.B. wegen vorangegangener schlechter Erfahrungen, (noch?) Vorbehalte gegenüber Gesprächen haben. Das soziale Netz kann auch in Einzelgesprächen mit bedacht werden.
  9. „Wichtige Personen“ sind oft Angehörige, können aber auch Kollegen, Nachbarn, Ausbilder, Wohnbetreuer, Beistände … (diese Aufzählung ist nicht vollständig) sein.
  10. Wenn an einer Situation verschiedene professionelle Helfer beteiligt sind, kommt es oft vor, dass ihre (Fach-)Sprachen und die Erklärungen für das Problem so verschieden sind, dass es zu keiner guten Zusammenarbeit kommt. Hier können systemische Gespräche die Zusammenarbeit verbessern, da sie selbst keine spezielle Beschreibung des Problems beinhalten und so verschiedene Erklärungen aufnehmen und miteinander ins Gespräch bringen können. In diesen Situation können oft schon einzelne Gespräche helfen.
  11. Die Gespräche zwischen den Beteiligten sind das Wichtigste, die Therapiegespräche "Mittel zum Zweck": Wieder eine bessere Basis für die Gespräche miteinander zu finden. 
  12. Systemische Therapie kann daher oft aus wenigen, manchmal nur aus einem einzelnen Gespräch bestehen. Die Abstände zwischen den Therapiegesprächen sind in der Regel grösser als bei anderen Therapieformen, da vieles Wichtige zwischen den Sitzungen passiert. Die Therapie kann zumeist beendet werden, wenn wieder ein gutes Gespräch in Gang gekommen ist. Manchmal ist dabei das "Problem", das in die Therapie führte, noch nicht gelöst. Die Patienten und ihre Angehörigen haben aber wieder das Vertrauen gewonnen, dass sie Lösung für diese Aufgabe auch ohne therapeutische Unterstützung finden können.

    Weiterführende Literatur zu Systemischer und Lösungsorientierter Therapie:

    Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung

    Personzentrierung und Systemtheorie: Perspektiven für psychotherapeutisches Handeln

    Integrative Behandlung in Psychiatrie und Psychotherapie

    Systemische Praxis in der Psychiatrie

    Wege der erfolgreichen Kurztherapie.
    Von Steve DeShazer