Arbeitsplatz

Psychische Krankheit und Arbeitsplatz

Absicherung bei Krankheit

In der Schweiz gibt es eine gute Absicherung für den Fall, dass man krank wird. Das rechtzeitige Erkennen und die richtige Behandlung einer psychischen Erkrankung können aber existenziell wichtig werden, wenn der Arbeitsplatz betroffen ist oder wenn die Arbeitsfähigkeit längerfristig eingeschränkt wird.

Gerade bei psychischen Krankheiten erlebe ich es als Arzt oft, dass Arbeitgeber eine grosse Bereitschaft zeigen, Mitarbeitende bei der Rückkehr auf die Arbeit zu unterstützen. Meine eigene Erfahrung als Vorgesetzter hat mir bestätigt, dass sich dies für beide Seiten lohnt: Mitarbeitende, die sich in einer Krise unterstützt gefühlt haben, fühlen sich dem Unternehmen meist umso mehr verbunden und sind meist besonders loyal, zuverlässig und zu Einsatz bereit.

Für die IV gilt der Grundsatz "Eingliederung vor Rente". Die IV kann beim Wiedereinstieg auf die Arbeit oft Hand reichen. Eine Kontaktaufnahme mit der IV lohnt sich daher frühzeitig, wenn sich abzeichnet, dass beim Wiedereinstieg auf der Arbeit Unterstützung sinnvoll sein kann.

Grundsätzlich gilt: Ein langes Aussetzen auf der Arbeit erschwert die Rückkehr - je länger je mehr. Wenn von der Arbeit her ein Einstieg mit einem reduzierten Pensum möglich ist, ist es meist von Vorteil früh mit einem kleinen Pensum wieder zu beginnen.

Typische Probleme

Als Psychiater treffe ich leider immer wieder eine der folgenden Situationen an:

  1. Psychiatrische Behandlung wird erst nach längerer Krankschreibung wahrgenommen, wenn die Krankentaggeldversicherung eine fachärztliche Beurteilung verlangt. Nach einem langen Verlauf ist es meist schwieriger die Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Versicherung zu begründen;  dies ist wesentlich einfacher, wenn schon früher ein ausführlicher psychiatrischer Befund erhoben werden konnte, der einen hohen Beweiswert hat.  Auch gerät die Behandlung dann oft unter einen Zeitdruck, der die Genesung erst recht erschwert. 
  2. Arbeitgeber werden oft erst spät einbezogen. Nach meiner Erfahrung gibt es meist eine grosse Bereitschaft von Arbeitgebern Mitarbeitende, die krank geworden sind, mit zu tragen und zu unterstützen - wenn sie sich rechtzeitig einbezogen und gut informiert fühlen. 
  3. Menschen in einer Depression fühlen sich ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen und kündigen ihren Arbeitsplatz.  In einer Depression nimmt man die eigenen Fähigkeiten regelmässig zu schlecht wahr. Fast alle Menschen, die an Kündigung gedacht, aber sie auf ärztlichen Rat hin nicht ausgesprochen haben, sind froh darüber wenn es ihnen wieder besser geht. Oft sehen sie dann, dass sie gesund ihre Aufgabe doch erfüllen können und wollen.  Die Kündigung schafft zudem einen grossen Druck - aus dieser Position heraus ist es viel schwerer wieder gesund zu werden.  Und wenn der Arbeitsplatz tatsächlich nicht optimal ist - aus der ungekündigten Stellung heraus und gesund ist es viel einfacher sich neu zu orientieren.
  4. Kontakt mit einem Arzt oder einer Ärztin wird erst aufgenommen, wenn der Arbeitsplatz gekündigt und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Wenn man bei laufendem Arbeitsverhältnis krank wird und das Arbeitsverhältnis dann endet, hat man in aller Regel Anspruch auf eine Fortführung der Krankentaggeldversicherung, d.h. man ist so lange finanziell abgesichert, bis man wieder arbeitsfähig ist. Arbeitslos hat man nur vier Wochen Anspruch auf Krankentaggeld über das RAV. Das ist bei psychischen Krankheiten oft zu kurz.
  5. Ich erlebe es immer wieder, dass Menschen, denen es lange nicht gut geht, ihr Arbeitspensum über Jahre schrittweise reduzieren. Wenn sie dann ein kleines Pensum, das gerade eben zum Leben reicht, auch nicht mehr erfüllen können, geraten sie in finanzielle Not. Reserven sind dann meist auch aufgebraucht. Wenn dann die Anmeldung bei der IV erfolgt, werden die Arbeitsverhältnisse der letzten Jahre als Massstab genommen - oft kann dann keine oder nur eine sehr kleine Rente gesprochen werden, die wiederum nicht zum Leben reicht. 

Empfehlung zu psychischer Krankheit und Arbeitsplatz

Wenn Sie sich ihrer Arbeit nicht mehr gewachsen fühlen, nehmen Sie so früh wie möglich Kontakt mit Ihrem Hausarzt auf. In vielen Fällen kann eine rechtzeitige Behandlung dabei helfen, wieder gesund zu werden.  Wenn Sie dann wirklich die Arbeit wechseln wollen, ist das viel einfacher, wenn Sie wieder gesund sind und ihren eigenen Fähigkeiten auch wieder vertrauen.

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber Ihren Arbeitgeber frühzeitig in Überlegungen zur Arbeit einzubeziehen und ihn zu informieren. Das trifft in vielen Fällen auf eine grosse Bereitschaft Hand für Unterstützung zu reichen.

Wenn die Krankheit länger andauert, ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich erkannt und auch dokumentiert wird. Nur so kann eine finanzielle Absicherung erhalten und finanzielle Not verhindert werden, die es dann umso schwerer macht wieder gesund zu werden.